Nintendo, Neuausrichtung und Nervenkitzel: Die Evolution von Resident Evil (Teil 2 des Specials)

Nach dem Erfolg der frühen Teile stand Resident Evil vor einer entscheidenden Weggabelung: Während die Verkaufszahlen stagnierten, wagte Capcom mit der Nintendo-Partnerschaft und einer mutigen Neuausrichtung den Sprung ins Unbekannte.

Nintendo, Neuausrichtung und Nervenkitzel: Die Evolution von Resident Evil (Teil 2 des Specials)
Photo by Ján Jakub Naništa / Unsplash

Seien es die sich langsam öffnenden Türen, die als Ladebildschirme dienen, die grünen Heilkräuter, die Itemtruhen oder die Schreibmaschinen, auf denen sich mit raren Farbbändern der Spielstand sichern lässt: Die Resident-Evil-Reihe (Teil 1) ist voll von unvergessenen Details und ganz zu Recht einer der größten Kultklassiker der Videospielgeschichte. Zu Beginn des Jahrtausends stagnierten die Verkaufszahlen allerdings und konnten die stetig steigenden Produktionskosten kaum noch decken. Mal mehr, mal weniger geschickt versuchte Entwickler Capcom daraufhin, die Serie in neue Richtungen zu lenken. Darum geht es im zweiten Teil des großen Specials.

Resident Evil Zero (2002)

Resident Evil Zero war das erste Spiel der Reihe, das als vollständige Neuentwicklung für eine Nintendo-Konsole daherkam. Bis es im März 2003 für den GameCube erschien, hatte es allerdings eine lange Odyssee hinter sich: Ende 1999 hatte Capcom zunächst Resident Evil 2 für das Nintendo 64 umgesetzt; direkt im Anschluss begannen die Arbeiten an einem Nintendo-exklusiven Prequel. Die kaum vorhandenen Ladezeiten des N64 inspirierten die Entwickler zur Entwicklung eines Spielsystems, das dem Spieler die Kontrolle über zwei Figuren geben sollte, zwischen denen frei gewechselt werden könnte.

Obwohl das erste Bildmaterial einen vielversprechenden Eindruck machte, fasste Capcom nach rund einem Jahr den Entschluss, die Entwicklung von Resident Evil Zero auf dem GameCube erneut zu beginnen. An der Handlung und am Doppel-Charakter-Konzept änderte sich nichts, und (anders als noch bei Code Veronica) wurde auch an vorgerenderten Hintergründen festgehalten. Diese erstrahlten nun allerdings im selben Glanz wie die der parallel entstandenen Neuauflage von Teil 1. Neu war hingegen die Abkehr von den berüchtigten Item-Boxen. An deren Stelle trat die Möglichkeit, Gegenstände an jedem beliebigen Ort ablegen zu können. Allerdings konnten sie auch nur genau dort wieder aufgenommen werden, sodass die oft gescholtenen Laufwege unter Umständen sogar noch länger wurden.

Die Handlung von Zero verläuft parallel zum ersten Teil und führt zwei neue Protagonisten ein: Rebecca Chambers, das jüngste Mitglied der Spezialeinheit S.T.A.R.S., sowie den verurteilten Kriminellen Billy Coen. Notgedrungen müssen beide zusammenarbeiten, wobei sie nach der Flucht aus einem von Zombies belagerten, fahrenden Zug unter anderem in ein altes Herrenhaus geraten, das dem aus Teil 1 auf mysteriöse Weise ähnelt.

Frischen Ideen und einer gleichermaßen exzellenten technischen Umsetzung zum Trotz konnte Resident Evil Zero nicht nicht ganz die Qualität des Einser-Remakes erreichen. Es verkaufte sich auch schlechter, was Capcom schließlich veranlasste, die Reihe mit Resident Evil 4 in eine neue Richtung zu bewegen. Ein sehr gelungenes Spiel ist es trotzdem – und nach langer Nintendo-Exklusivität seit 2016 als HD-Remaster auch auf diversen anderen Plattformen erhältlich.

Resident Evil 4 (2005)

Im November 2002 angekündigt, bedurfte es gleich mehrerer Anläufe, bis Resident Evil 4 als der Meilenstein auf den Markt kam, als den wir es heute kennen. Von Beginn an war hingegen klar, dass das Spiel sich von statischen Hintergründen und festen Kameraperspektiven lösen und gleichzeitig eine Grafik bieten würde, die auf Konsolen nahezu ohne Vergleich war.

2005 wurde Resident Evil 4 schließlich veröffentlicht und entpuppte sich als deutlich action-lastiger als seine Vorgänger: Seine Über-die-Schulter-Perspektive erlaubte ein viel dynamischeres Spielgeschehen und wurde nicht nur zum festen Standard für nachfolgende Serienteile, sondern hatte auch bleibenden Einfluss auf das Genre der Third-Person-Shooter im Allgemeinen. Auch sonst hatte Serienschöpfer Shinji Mikami – der erstmals seit Teil 1 als Director zurückkehrt war – allen überflüssigen Ballast über Bord geworfen und wagte sogar die Etablierung eines vollständig neuen Handlungsbogens:

Racoon City und die Machenschaften der Umbrella Corporation gehören der Vergangenheit an. Stattdessen verschlägt es den aus Teil 2 bekannten Leon S. Kennedy in einen abgelegenen Landstrich Europas, wo er die Tochter des US-Präsidenten aus den Fängen einer mysteriösen Sekte befreien soll. Seine Gegner sind diesmal also keine Zombies, sondern von einem unheimlichen Parasiten kontrollierte Menschen, die deutlich intelligenter und agiler sind: Sie können untereinander kommunizieren, den Spieler bewusst umzingeln oder auch Waffen benutzen – unvergessen ist vor allem die Auftaktsequenz im Dorf.

Der Mut zur Neuausrichtung wurde belohnt mit Traumwertungen und der Aufmerksamkeit eines größeren Publikums. Nach anfänglicher GameCube-Exklusivität ist Resident Evil 4 bis heute auf nahezu alle erdenklichen Plattformen umgesetzt worden und wird regelmäßig als eines der besten Spiele aller Zeiten genannt.

Resident Evil 5 (2009)

Ein Grund, warum einige Serienfans Resident Evil 4 dennoch mit gemischten Gefühlen betrachten ist der, dass es die Abkehr der Reihe vom Survival-Horror einleitete – eine Entwicklung, die sich mit Resident Evil 5 fortsetzen sollte.

Dass der Hype um Teil 5 zunächst trotzdem kaum Grenzen kannte, war vor allem seiner abermals beeindruckenden Grafik zu verdanken: Vorbei waren die Jahre, als Nintendos GameCube die Entwicklung bestimmte – Resident Evil 5 erschien für PlayStation 3 und Xbox 360 und zeigte, wozu die neue Konsolengeneration fähig war. Unverbraucht kam auch das Afrika-Setting daher, auch wenn es zugleich für einige Kontroversen um die Darstellung der zumeist schwarzen Gegnerscharen sorgte.

Die Hintergrundgeschichte von Resident Evil 5 greift den ursprünglichen Handlungsbogen um die Umbrella Corporation wieder auf, kombiniert ihn allerdings mit den Geschehnissen rund um den Las-Plagas-Parasiten aus Teil 4. Generell konzentrierte sich das Spiel auf die Verknüpfung loser Enden und die Beantwortung noch offener Fragen. Die etwas überdimensonierte Bedrohung im Hintergrund – eine komplette Ausrottung der Weltbevölkerung und ihre Ersetzung durch eine neue Superrasse – zeugt vermutlich davon, dass auch die Resident-Evil-Kinofilme ihre Spuren hinterlassen haben.

Neben Albert Wesker gibt es ein Wiedersehen mit Jill Valentine, als Protagonist kehrt allerdings Chris Redfield zurück. Ihm steht die afrikanische Agentin Sheva Alomar zur Seite. Spielerisch knüpft Resident Evil 5 eng am Vorgänger an – Steuerung und Über-die-Schulte-Perspektive sind fast identisch. Neu war dagegen die Möglichkeit, das Abenteuer mit einem zweiten Mitspieler kooperativ zu erleben. Resident Evil 5 erhielt gute Kritiken. Es erreichte zwar nicht ganz den Einfluss und Kultstatus von Teil 4, konnte aber große kommerzielle Erfolge verbuchen. Das verführte Capcom dazu, mit dem nachfolgenden sechsten Teil noch stärker auf den Massenmarkt zu zielen. Dazu mehr im dritten Teil des großen Specials.