Die Influencer-Blase: Wenn Marketing sich selbst feiert und Authentizität zur Farce wird

Die Influencer-Blase
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Wenn die Werbeblase platzt – aber niemand es bemerken will

Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als mir klar wurde, dass etwas fundamental schiefläuft. Da saß ich, scrollte durch meinen Feed und sah zum dritten Mal an diesem Tag denselben Gaming-Stuhl. Nicht in einer Anzeige – nein, in einem "authentischen" Post eines Creators, den ich seit Jahren verfolgte. Daneben: ein weiterer Influencer, der denselben Energy Drink empfahl wie seine fünf Kollegen zuvor. Und noch einer, der ein VPN anpries, von dem ich wusste, dass es in Datenschutz-Rankings bestenfalls mittelmäßig abschneidet.

Willkommen in der Influencer-Blase – einem Wirtschaftszweig, der sich längst selbst zur einzigen Realität erklärt hat. Hier verkaufen sich Menschen nicht mehr an ihre Community, sondern an andere Influencer, an Agenturen, an ein System, das nur noch eine Währung kennt: Reichweite. Und während draußen die Welt weiterdreht, feiern sich im Inneren dieser Blase alle gegenseitig für ihre "Brand Deals" und "Partnerships", als wäre das die größte Leistung überhaupt.

Ich habe über 20 Jahre in der Gaming-Branche verbracht, als Spieler, als Blogger, als kritischer Beobachter. Und was ich heute sehe, macht mich fassungslos: Ein ganzer Wirtschaftszweig hat vergessen, wofür er eigentlich existiert.

Das Fundament bröckelt: Von Creators zu Werbeträgern

Der schleichende Wandel der Influencer-Landschaft

Lass uns ehrlich sein: Influencer-Marketing ist nicht per se das Problem. Als die ersten YouTuber und Twitch-Streamer anfingen, ihre Leidenschaft für Spiele mit der Welt zu teilen, war das großartig. Authentische Menschen teilten authentische Erlebnisse. Sie spielten, was sie liebten. Sie kritisierten, was sie störte. Sie bauten Communities auf echter Verbindung auf.

Dann kam das Geld. Und mit dem Geld kam die Maschinerie.

Heute sehe ich Gaming-Influencer, die ihr gesamtes Content-Portfolio danach ausrichten, was sich vermarkten lässt. Wellness-Gurus, die ihre Morgenroutine nach Sponsoring-Anfragen gestalten. Lifestyle-Creator, die vorgeben, in Luxus zu leben, während sie gestylte Leihgaben präsentieren. Die neue Release? Wird nur gespielt, wenn der Publisher sponsert. Das Nahrungsergänzungsmittel? Wird empfohlen, weil die Provision stimmt. Die ehrliche Meinung? Verschwindet hinter vorformulierten Talking Points aus dem Briefing-Dokument.

Die Selbstvermarktungs-Spirale

Was mich besonders erschüttert: Influencer vermarkten heute vor allem eines – sich selbst. Nicht ihre Expertise, nicht ihre Meinung, nicht mal mehr ihre Content-Qualität. Sondern ihre Marke. Ihre "Brand". Ihr Image als "erfolgreicher Creator".

Schau dir die typische Influencer-Timeline an:

  • Phase 1: Authentischer Content aus Leidenschaft
  • Phase 2: Erste Sponsorings, noch mit Zurückhaltung
  • Phase 3: Jeder dritte Post ist gesponsert
  • Phase 4: Der gesamte Content-Plan richtet sich nach Monetarisierung
  • Phase 5: Die Person wird zur wandelnden Werbefläche

Und das Perfide? Andere Influencer feiern diesen "Erfolg". Sie gratulieren zum Brand Deal. Sie teilen die gesponserten Posts. Sie verstärken gegenseitig ihre Reichweite in einem geschlossenen Kreislauf, der nur noch eines produziert: Mehr von demselben.

Die inzestuöse Branche: Wenn alle mit allen kuscheln

Das Agentur-Karussell der Gefälligkeiten

Hier wird es richtig widerlich. Die Influencer-Branche ist inzestuös – und ich meine das ganz wörtlich im übertragenen Sinne. Dieselben Agenturen managen Dutzende Influencer. Dieselben Manager vermitteln dieselben Deals. Dieselben "Experten" sitzen in denselben Podcasts und loben sich gegenseitig. Es ist ein geschlossener Kreislauf von Gefälligkeiten, Querverweisen und gegenseitiger Bereicherung.

Ich sehe eine Agentur, die gleichzeitig Gaming-Influencer, Fitness-Influencer und Lifestyle-Influencer managed. Und ratet mal? Plötzlich posten alle denselben Gaming-Stuhl, dasselbe Protein-Pulver, dasselbe Luxus-Produkt. Nicht weil es gut ist. Sondern weil die Agentur einen Sammelvertrag ausgehandelt hat. Effizienz nennen sie das. Ich nenne es Betrug an der Community.

Die Kreuzpromotion-Mafia

Das inzestuöse Gebaren geht weiter: Influencer A interviewt Influencer B in seinem Podcast. Influencer B lässt Influencer A in seinem Video auftreten. Beide werden von derselben Agentur gemanagt, beide bewerben dasselbe Produkt, beide verweisen aufeinander in ihren Bios. Es ist ein Netzwerk der gegenseitigen Befruchtung – aber nicht mit Ideen oder Qualität, sondern mit Reichweite und Werbegeldern.

In der Gaming-Szene sehe ich es permanent: Der eine Streamer hostet den anderen. Der andere lädt ihn dann zum Collaboration-Stream ein. Beide haben zufällig denselben Headset-Sponsor. Beide nutzen denselben Affiliate-Link. Beide sind bei derselben Agentur. Beide sprechen auf denselben Events. Und beide tun so, als wäre das alles "organisch gewachsen".

Es ist nicht organisch. Es ist orchestriert. Es ist ein Kartell.

Das Panel-Phänomen: Influencer über Influencer über Influencer

Besonders absurd: Die endlosen Panels und Talks, in denen Influencer über das Influencer-Sein sprechen. Moderiert von Influencern. Vor einem Publikum von angehenden Influencern. Gesponsert von Agenturen, die Influencer managen wollen.

Es ist wie eine Sekte, die sich selbst feiert. Alle nicken, alle applaudieren, alle bestätigen sich gegenseitig in ihrer Weltsicht. Kritische Fragen? Fehlanzeige. Selbstreflexion? Wird als Schwäche ausgelegt. Die einzige Wahrheit: Mehr Reichweite, mehr Deals, mehr Erfolg.

Ich habe auf solchen Events gesessen und mir gedacht: Realisiert hier niemand, dass wir alle gerade in einem gigantischen Kreiswichsen gefangen sind?

Die Ethik-Erosion: Wenn Glaubwürdigkeit zum Luxusgut wird

Transparenz als Theater

"Werbung" steht mittlerweile über fast jedem zweiten Post. Als hätte damit irgendwer seine ethische Pflicht erfüllt. Aber Hand aufs Herz: Macht diese Kennzeichnung den Inhalt ehrlicher? Macht sie die Empfehlung glaubwürdiger? Natürlich nicht.

Ich habe in den letzten Jahren unzählige gesponserte Reviews gesehen, in denen kritische Punkte entweder verschwiegen oder so weichgespült wurden, dass sie bedeutungslos wurden. "Das Produkt hat ein paar kleine Schwächen, aber insgesamt..." – kennst du diesen Satz? Dahinter steckt meistens ein Vertrag, der verbietet, zu negativ zu sein.

Die Kennzeichnungspflicht hat ein Theater geschaffen, in dem sich alle an die Regeln halten, aber die Regeln selbst bedeutungslos geworden sind. Es ist wie ein Gütesiegel, das nur bestätigt: "Ja, wir verkaufen uns – aber ganz legal!"

Der Preis der Unabhängigkeit

Echte kritische Stimmen? Werden rar. Ich kenne Creators, die Sponsoring-Anfragen ablehnen, weil die Produkte nicht zu ihren Standards passen. Die negative Reviews posten, auch wenn sie wissen, dass ihnen dadurch zukünftige Deals entgehen. Die ihrer Community ehrlich sagen: "Dieses Produkt ist Schrott, kauft es nicht."

Diese Menschen verdienen Respekt. Aber sie sind die Ausnahme geworden, nicht die Regel. Und das zeigt das Problem: In einem System, wo Glaubwürdigkeit gegen Reichweite getauscht wird, verliert die Glaubwürdigkeit immer.

Die moralische Grauzone der digitalen Welt

Die Gaming-Szene, die Wellness-Industrie, die Luxus-Influencer – sie alle operieren in derselben moralischen Grauzone. Wenn ein Fitness-Influencer Nahrungsergänzungsmittel bewirbt, die in unabhängigen Tests durchfallen, ist das nicht nur unethisch. Es ist potenziell gefährlich. Wenn ein Lifestyle-Creator einen "Luxus"-Artikel als Investment-Piece anpreist, der in Wahrheit billig produzierter Ramsch ist, ist das Betrug.

Aber es passiert. Täglich. Weil die Schecks groß genug sind. Und weil in der inzestuösen Influencer-Blase niemand den anderen öffentlich kritisiert. Man könnte ja selbst der Nächste sein.

Brand Promotion ohne Seele: Die Industrialisierung der Authentizität

Wenn Persönlichkeit zur Produktverpackung wird

Das vielleicht Verstörendste an der Influencer-Blase: Die komplette Industrialisierung von Persönlichkeit. Ich spreche nicht von Menschen, die Produkte bewerben. Ich spreche von Menschen, die sich selbst in Produkte verwandelt haben.

Jeder Post wird optimiert. Jedes Wort abgewogen. Jede "spontane" Reaktion ist geskriptet. Die Persönlichkeit, die du siehst, ist ein sorgfältig kuratiertes Produkt, designt für maximale Engagement-Raten. Der Mensch dahinter? Längst verschwunden hinter Algorithmen, Analytics und Agentur-Briefings.

In der Gaming-Szene sehe ich Creator, die seit Jahren dieselbe übertriebene Persönlichkeit spielen – nicht weil sie so sind, sondern weil die Daten zeigen, dass es funktioniert. Im Wellness-Bereich beobachte ich Gurus, die eine Aura der Erleuchtung performen, während sie hinter den Kulissen knallharte Business-Deals aushandeln. Bei Luxus-Influencern erlebe ich inszenierte Lifestyle-Momentaufnahmen, die so weit von der Realität entfernt sind, dass es schon absurd ist.

Authentizität wird simuliert, Begeisterung wird performt, Empörung wird dosiert. Alles ist Kalkül.

Die Agentur-Maschinerie

Hinter den meisten größeren Influencern stehen heute Agenturen. Management-Firmen, die "Talent" vermarkten wie Konzerne ihre Produkte. Sie erstellen Content-Strategien, verhandeln Deals, optimieren Posting-Zeiten. Sie verwandeln Menschen in Marken.

Und hier schließt sich der Kreis: Die Agenturen arbeiten mit denselben Marketing-Prinzipien wie jeder andere Konzern auch. Nur dass ihr Produkt eben ein Mensch ist. Ein Mensch, der "Authentizität" verkauft, während im Hintergrund Dutzende Leute daran arbeiten, diese Authentizität zu fabrizieren.

Das Ergebnis? Influencer, die alle gleich klingen. Die alle dieselben Phrasen nutzen. Die alle dieselben Produkte bewerben. Eine industriell gefertigte Monokultur, die sich als vielfältige Creator-Landschaft ausgibt.

Die Sponsor-Treadmill

Einmal im System, gibt es kaum ein Entkommen. Die Lebenshaltungskosten steigen mit der Reichweite. Das Team muss bezahlt werden. Die Produktion wird aufwendiger. Der Druck, die Zahlen zu halten, wächst exponentiell.

Also nimmt man den nächsten Deal. Und den übernächsten. Man senkt die Standards, weil man sie senken muss. Man bewirbt Produkte, die man früher kritisiert hätte. Man wird Teil eines Systems, das einen längst nicht mehr als Person, sondern nur noch als Reichweiten-Vehikel sieht.

Die verschiedenen Gesichter der Täuschung

Gaming: Von Passion-Projekten zu Profitmaximierung

In der Gaming-Szene zeigt sich die Influencer-Blase besonders deutlich. Hier treffen technikaffine, kritische Konsumenten auf eine Creator-Landschaft, die zunehmend von denselben kommerziellen Interessen gesteuert wird wie die Industrie, die sie eigentlich kritisch begleiten sollte.

Ich sehe Gaming-Influencer, die Launch-Events besuchen, vollständig von Publishern bezahlt. Die "First Impressions" posten, die durch NDAs und Zugangsberechtigungen gefiltert sind. Die ihre Reichweite gegen exklusive Previews eintauschen – und dabei jede journalistische Distanz verlieren.

Die Nerd-Kultur wird zum Verkaufsargument. "Einer von uns" sein – das verkauft. Also performen Influencer Nerd-Sein, auch wenn dahinter oft nur oberflächliches Wissen und geschickte Recherche stecken. Gaming-Influencer sprechen über Retro-Games, die sie nie gespielt haben. Die Nostalgie verkaufen für eine Ära, die sie nicht erlebt haben.

Health & Wellness: Die gefährliche Grauzone

Im Wellness-Bereich wird es noch problematischer. Hier geht es nicht nur um Glaubwürdigkeit – hier geht es um Gesundheit. Ich sehe Influencer, die ohne medizinische Ausbildung Ernährungspläne verkaufen. Die Nahrungsergänzungsmittel bewerben, deren Wirkung wissenschaftlich nicht belegt ist. Die Detox-Tees anpreisen, die bestenfalls nutzlos, schlimmstenfalls schädlich sind.

Das Perfide: Sie verpacken es in die Sprache der Selbstoptimierung und des Wohlbefindens. "Höre auf deinen Körper", sagen sie – während sie dir gleichzeitig ein Produkt verkaufen wollen. "Natürlich und ganzheitlich" sind die Buzzwords, hinter denen sich oft pseudowissenschaftlicher Unsinn verbirgt.

Und auch hier: Das inzestuöse Netzwerk. Die eine Fitness-Influencerin bewirbt das Protein-Pulver, die andere dieselbe Yoga-Matte, der dritte denselben Online-Kurs. Alle bei derselben Agentur, alle mit Cross-Promotion, alle im selben Boot. Wenn eine negativ auffällt, schweigen die anderen eisern – Omertà, Influencer-Style.

Pseudo-Luxus: Die Illusion des gehobenen Lifestyles

Und dann gibt es noch die Luxus-Influencer. Oder besser: Die Pseudo-Luxus-Influencer. Menschen, die einen Lifestyle zur Schau stellen, den sie nicht leben. Die in gemieteten Villen posieren, in geliehenen Sportwagen sitzen, mit geborgten Designertaschen prahlen.

Ich habe recherchiert: Viele dieser "Luxus"-Produkte, die sie anpreisen, sind billige Dropshipping-Ware aus China mit einem Luxus-Label drauf. Die "exklusiven" Hotels, in denen sie übernachten? PR-Kooperationen. Die "Investment-Pieces", die sie empfehlen? Affiliate-Links zu überteuerten Produkten mit 30% Provision.

Es ist eine komplette Illusion. Ein Potemkinsches Dorf aus Lifestyle-Porn und Konsumfantasien. Und auch hier wieder: Alle kennen sich, alle arbeiten zusammen, alle schützen sich gegenseitig. Die eine Luxus-Influencerin tritt im Podcast der anderen auf. Die andere trägt die Schmuckkollektion der einen. Beide werden vom selben PR-Team betreut. Beide bewohnen dasselbe gemietete Penthouse für ihre Fotoshootings.

Es ist verlogen. Und es funktioniert, weil die Zuschauer den Traum kaufen wollen.

Die Auswirkungen auf die Community

Vertrauensverlust und Desillusionierung

Was macht das mit der Community? Mit den Menschen, die diesen Influencern vertraut haben?

Ich sehe es in den Kommentaren, in den Diskussionen, in den alternativen Communities, die sich bilden: Ein massiver Vertrauensverlust. Menschen, die realisieren, dass ihre liebsten Creator sie nicht als Community, sondern als Konsumenten sehen. Die verstehen, dass "Empfehlungen" oft bezahlte Werbung sind. Die erkennen, dass die vermeintliche Authentizität nur eine weitere Marketing-Strategie ist.

Die Desillusionierung ist real. Und sie ist berechtigt.

Die Fragmentierung der Szene

Gleichzeitig sehe ich eine Fragmentierung. Immer mehr Menschen wenden sich ab von großen Influencern und suchen nach kleineren, authentischeren Stimmen. Nach Menschen, die noch nicht Teil der Maschinerie sind. Die noch sagen, was sie denken. Die noch ablehnen können, weil sie nicht vom nächsten Sponsoring abhängig sind.

Das ist gut – aber es zeigt auch, wie kaputt das System geworden ist. Wenn "klein und unbekannt" zum Qualitätsmerkmal wird, läuft grundlegend etwas schief.

Der Schaden an der Glaubwürdigkeit

Der langfristige Schaden ist immens. Im Gaming-Bereich nehmen viele jüngere Spieler keine Empfehlungen mehr ernst. Im Wellness-Sektor wächst die Skepsis gegenüber allen Online-Gesundheitstipps. Im Luxus-Bereich verstehen immer mehr Menschen, dass sie eine Illusion konsumieren.

Die gesamte Influencer-Wirtschaft untergräbt ihr eigenes Fundament. Und die inzestuöse Struktur macht es unmöglich, von innen heraus zu reformieren.

Der Selbstbetrug der Blase

Die Reichweiten-Illusion

Hier wird es richtig absurd: In der Influencer-Blase misst man Erfolg in Followerzahlen und Impressionen. Aber was bedeuten diese Zahlen wirklich?

Influencer mit Hunderttausenden Followern, deren tatsächliche Engagement-Rate im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegt. Deren Kommentare von Bots dominiert werden. Deren "Community" größtenteils aus passiven Zuschauern besteht, die durchscrollen ohne wirklich hinzusehen.

Aber in der Blase? Da zählen nur die Zahlen. Da gratuliert man sich gegenseitig zu "500K" und "1M", als wäre das eine echte Leistung. Als würden diese Zahlen irgendetwas über Qualität, Relevanz oder tatsächlichen Einfluss aussagen.

Die gegenseitige Bestätigung

Das Gefährlichste an Blasen: Sie erschaffen ihre eigene Realität. In der Influencer-Blase bestätigen sich alle gegenseitig, dass das, was sie tun, richtig und wichtig ist. Sie feiern ihre "Wins", ihre "Partnerships", ihre "Growth". Sie teilen ihre "Erfolgsgeschichten" in Panels und Podcasts, in denen andere Influencer andere Influencer interviewen über Influencer-Sein.

Es ist ein geschlossener Kreislauf, in dem kritische Stimmen als "Hater" abgetan werden. In dem Selbstreflexion als Schwäche gilt. In dem die einzige Metrik für Wahrheit die Reichweite ist. In dem jeder, der das inzestuöse System kritisiert, sofort ausgegrenzt wird.

Das Kartell des Schweigens

Und hier kommt der widerlichste Teil: Das ungeschriebene Gesetz, dass man andere Influencer nicht öffentlich kritisiert. Selbst wenn jemand offensichtlichen Betrug begeht, schweigen die Kollegen. Warum? Weil man selbst im Glashaus sitzt. Weil die eigene Agentur vielleicht auch die des anderen managed. Weil man beim nächsten Event noch nett zueinander sein muss.

Es ist ein Kartell des Schweigens, aufrechterhalten durch gemeinsame Interessen und inzestuöse Verflechtungen. Solange alle mitspielen, profitieren alle. Wer ausschert, wird aussortiert.

Ausblick: Kann die Blase platzen?

Hoffnungsschimmer am Horizont?

Ich will nicht komplett pessimistisch sein. Es gibt Anzeichen für ein Umdenken. Plattformen experimentieren mit Transparenz-Features. Regulierungsbehörden verschärfen die Regeln. Und vor allem: Die Zuschauer werden kritischer.

Ich sehe junge Creator, die bewusst anders sein wollen. Die Glaubwürdigkeit über Reichweite stellen. Die "Nein" zu fragwürdigen Deals sagen. Die ihrer Community mit Respekt begegnen statt mit Verkaufsstrategien. Die offen über die inzestuösen Strukturen sprechen und sich bewusst distanzieren.

Diese Menschen geben mir Hoffnung. Aber sie sind noch zu wenige. Und der Druck, sich dem System anzupassen, ist enorm.

Die Verantwortung liegt bei uns allen

Hier kommt die unbequeme Wahrheit: Die Influencer-Blase existiert, weil wir sie füttern. Mit unseren Klicks, unseren Follows, unserer Aufmerksamkeit. Jedes Mal, wenn wir einen gesponserten Post liken, jedes Mal wenn wir über einen Affiliate-Link kaufen ohne zu hinterfragen, jedes Mal wenn wir kritiklos konsumieren – stärken wir das System.

Du als Leser, als Zuschauer, als Teil der Community hast Macht. Die Macht zu entfolgen. Die Macht zu hinterfragen. Die Macht, deine Aufmerksamkeit bewusst zu lenken. Nutze sie.

Unterstütze die Creator, die noch Rückgrat haben. Die, die ablehnen können. Die, die ehrlich sind, auch wenn es wehtut. Die, die dich als Mensch sehen, nicht als Conversion-Metrik. Die, die sich weigern, Teil des inzestuösen Netzwerks zu werden.

Die notwendige Disruption

Was wir brauchen, ist eine Disruption von außen. Plattformen, die echte Transparenz erzwingen. Medien, die investigativ berichten statt nur zu feiern. Zuschauer, die kritischer werden. Regulierung, die wirklich greift und nicht nur Lippenbekenntnisse fordert.

Vor allem aber brauchen wir den Mut, das inzestuöse System beim Namen zu nennen. Die Verflechtungen offenzulegen. Die Kartelle aufzubrechen. Die Wahrheit auszusprechen: Die Kaiser haben keine Kleider an.

Fazit: Die Blase wird platzen – die Frage ist nur, wann und wie hart

Hier ist meine These, und sie wird dir nicht gefallen: Die Influencer-Blase ist der größte Selbstbetrug der digitalen Ära, und ihr Platzen wird die gesamte Creator-Economy mit in den Abgrund reißen. Das inzestuöse Netzwerk aus Agenturen, Influencern und Marken ist so verflochten, dass der Kollaps nicht einzelne treffen wird – er wird alle treffen.

Warum? Weil ein System, das auf Lügen aufgebaut ist, nicht dauerhaft bestehen kann. Weil eine Branche, die Glaubwürdigkeit gegen Reichweite tauscht, irgendwann beides verliert. Weil Menschen, die zur Marke werden, aufhören, Menschen zu sein – und irgendwann bemerken auch die treuesten Fans, dass sie nur noch Werbeträger anbeten.

Die Gaming-Szene wird hart getroffen werden. Die Wellness-Industrie wird zusammenbrechen, wenn die Wahrheit über die beworbenen Produkte ans Licht kommt. Die Pseudo-Luxus-Influencer werden entlarvt als das, was sie sind: Hochstapler mit gemieteten Requisiten.

Und die inzestuöse Struktur? Die wird als erstes fallen. Denn wenn ein Kartell auffliegt, fallen alle Mitglieder. Wenn eine Agentur für Betrug angeklagt wird, sind plötzlich Dutzende Influencer kompromittiert. Wenn das Schweige-Kartell bricht, wird das Geständnis-Dominospiel beginnen.

Aber vielleicht – und das ist mein Hoffnungsschimmer – braucht es genau diesen Crash. Vielleicht müssen die falschen Propheten fallen, damit wieder Platz ist für echte Stimmen. Für Menschen, die etwas zu sagen haben statt nur etwas zu verkaufen. Für eine Creator-Landschaft, die auf Werten statt auf Werbegeldern aufbaut. Für ein System, das Unabhängigkeit belohnt statt bestraft.

Bis dahin bleibe ich der Chefermittler – kritisch, unbequem und verdammt noch mal nicht käuflich. Ich spiele nicht mit im inzestuösen Reigen der gegenseitigen Beweihräucherung. Ich lasse mich nicht einbinden in Netzwerke der Gefälligkeit. Ich sage, was ist – auch wenn es mich Reichweite kostet.

Die Blase wird platzen. Die Frage ist nur: Stehst du dann auf der richtigen Seite? Oder gehörst du zu denen, die weggeschaut haben, während sich alle gegenseitig die Taschen füllten?

Die Wahrheit ist unbequem. Aber sie ist die einzige Währung, die am Ende wirklich zählt.


Was denkst du? Bin ich zu hart mit meiner Kritik, oder sehe ich etwas, was andere ignorieren wollen? Hast du selbst Erfahrungen mit dem inzestuösen Netzwerk gemacht? Schreib es in die Kommentare – aber bitte mit Argumenten, nicht mit gesponserten Talking Points.

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